Die Schwyzerin Angélique Brugger ist Schwimmerin und wurde in diesem Jahr mit der Staffel Schweizermeisterin. Bild: Robert Betschart

Die 20-jährige Angélique Brugger gehört zu den aufstrebenden Schwimmerinnen der Schweiz. Die Schwyzerin verfolgt grosse Ziele: Sie möchte gerne einmal an Olympischen Spielen dabei sein.

Interview Robert Betschart, Bote der Urschweiz

Angélique Brugger liess zuletzt mit Top-Resultaten aufhorchen. An den Schweizermeisterschaften schwamm die Schwyzerin über 50 Meter Crawl auf den hervorragenden zweiten Platz. Mit der Staffel im freien Stil gewann Brugger zusammen mit ihren Schwimmpartnerinnen gar die Goldmedaille. Mittlerweile hat die erst 20-Jährige an Schweizermeisterschaften der Elite und der Jugend schon rund 30 Medaillen gewonnen und gehört zu den aufstrebenden Schwimmerinnen der Schweiz. Das grosse Ziel von Brugger sind die Olympischen Spiele. Dem Ziel ordnet sie sehr viel unter: Die Hauptörtlerin lebt seit fast zwei Jahren mehrheitlich in Lausanne und versucht durch das Training im dortigen Schwimmclub an die nationale Spitze zu gelangen.

Sie sind Schwyzerin und Schwimmerin. Eine seltene Kombination. Wie kommt man dazu, sich diesen Sport auszusuchen?

Angélique Brugger: Es begann eigentlich alles in Brunnen mit dem Babyschwimmen und danach mit den ersten Schwimmkursen bei Herrn Staubli, meinem ersten Schwimmtrainer überhaupt. Ich entdeckte schon früh die Faszination zum Wasser und habe den Schwimmsport als Hobby betrieben. Herr Staubli meinte, dass wir Talent haben, und so fuhren meine Eltern mich und meinen Bruder als Kinder jeweils ins Urnerland zum dortigen Schwimmclub. Danach durfte ich die Talentklasse in Schwyz besuchen und wir wechselten zum Schwimmclub nach Luzern. Mein Bruder konzentrierte sich später auf seinen Beruf. Ich habe weitergemacht.

Sie haben im «Boten» einmal gesagt, dass Sie lieber in Bädern schwimmen als im See oder im Meer, weil Sie Angst vor Fischen haben. Ist das immer noch so?

Das stimmt, ich sehe Fische, bevor sie überhaupt da sind (lacht). Aber ich arbeite daran. Wir haben zum Beispiel im Sommer trainingshalber den Genfersee überquert. Das waren rund 15 Kilometer. Mir ging immer wieder durch den Kopf, dass unter mir ein Schwarm Fische schwimmen würde. Das war ein sehr mulmiges Gefühl. Aber es ist nicht mehr so schlimm wie früher.

Der Schwimmsport erhält in der Schweiz und auch im Kanton Schwyz, verglichen mit anderen Sportarten, relativ wenig Beachtung. Stört Sie das?

Ja, es gibt Momente, da finde ich es ein bisschen unfair. Denn wir trainieren jede Woche bis zu 30 Stunden und investieren sehr viel Zeit und Schweiss. Wenig Beachtung bedeutet auch, dass es schwierig ist, Sponsoren zu finden. Aber ich finde, dass es in den letzten vier oder fünf Jahren etwas besser geworden ist. In der Schweiz hinkt der Schwimmsport aber in Sachen Popularität weit hinter Ländern wie Italien oder Frankreich hinterher.

Dabei haben Sie schon mehrere Schweizermeistertitel geholt und streben ein ganz grosses Ziel an. Nämlich sich mit der Staffel für die Olympischen Spiele zu qualifizieren. Liegen Sie im Fahrplan, das zu schaffen?

Ich gebe zu, dass Tokio ein sehr hohes Ziel ist. Realistischer ist, dass ich mich für die EM 2021 qualifizieren kann. Das ist zusammen mit der Sommeruniversiade im nächsten Jahr mein grosses Ziel. Aber Olympia bleibt der grosse Traum. Wenn nicht im nächsten Jahr, dann vielleicht für Paris 2024.

Wie erleben Sie die aktuelle Corona-Situation? Das macht das Training sicher nicht leichter, oder?

Es ist sehr schwierig für uns. In Lausanne waren zuletzt alle Hallenbäder zu. Damit wurde uns Spitzensportlern die Möglichkeit genommen, richtig zu trainieren. Dabei würde das Chlor im Wasser die Viren abtöten. Aber es ist, wie es ist. Wir sind fürs Training deswegen ein paar Mal auf benachbarte Kantone ausgewichen. Aber das ist ja eigentlich auch nicht der Sinn der Sache. Aber das Gute an der Situation ist, dass ich dadurch mehr Zeit habe, mich der Matura zu widmen, die ich in diesem Semester abschliessen möchte.

An den Schweizermeisterschaften im November wurden Sie mit der Staffel im freien Stil über 50 Meter Schweizermeisterin und im Einzel Zweite. Sind Sie mit Ihrer Leistung zufrieden?

Wegen Corona war die Vorbereitung alles andere als optimal. Fünf Tage vor den Meisterschaften wurden, wie erwähnt, unsere Hallenbäder in Lausanne geschlossen, und wir konnten nicht mehr trainieren. Doch das harte Training in der Vorbereitung, in dem ich mich vor allem auf die Frequenz und die Schnelligkeit konzentriert habe, zahlte sich über die kurze Distanz aus. Da bin ich mit meiner Leistung sehr zufrieden. Weniger gut lief es allerdings über 200 und 400 Meter, meine eigentlichen Spezialdisziplinen. Da fehlte mir wie gesagt das Training.

Sie haben vorhin erwähnt, dass Sie in der Woche rund 30 Stunden trainieren. Woher holen Sie die Motivation dazu?

Ich glaube, als Schwimmerin hat man schon von klein auf gelernt, viel Zeit im Hallenbad zu verbringen und dort die «Plättli» zu zählen (lacht). Aber klar, auch ich denke manchmal vor dem Morgentraining um 6 Uhr in der Früh, dass ich jetzt lieber noch etwas länger schlafen würde. Ich kenne auch keine Schwimmerin, welche am Morgen früh gerne ins Wasser springt. Aber die Motivation bringt mir am Ende der Teamspirit. Dank dem Schwimmsport konnte ich schon so viele schöne Erfahrungen sammeln und durch die vielen Reisen an die Wettkämpfe andere Kulturen kennenlernen. Das schätze ich sehr.

Sie haben vor rund zwei Jahren vom Schwimmclub Uster zu Lausanne Natation gewechselt. Warum?

Uster hat ein sehr starkes Team, und viele der besten Schwimmerinnen der Schweiz schwimmen für diesen Club. Ich bekam das Gefühl, dass ich unter dieser enormen Breite an Spitzenschwimmerinnen schon fast ein wenig untergehe. Ich musste dann eine sehr schwere Entscheidung fällen, denn die Kolleginnen in Uster waren mir ans Herz gewachsen. Ich entschied mich dann für einen Wechsel nach Lausanne. Dies ist immer noch ein sehr guter Schwimmclub aber mit einem kleineren Team. Dort fühle ich mich wohl und kann mich mehr ausleben.

Verbringen Sie viel Zeit in Lausanne und kommt da nie Heimweh auf?

Über den Sommer bin ich manchmal für drei Monate nicht mehr zu Hause in Schwyz. Dann bekomme ich manchmal schon so etwas wie Heimweh. Wer Lausanne kennt, weiss, dass es dort mit dem Genfersee zwar sehr schön ist, aber Berge wie hier hat es natürlich keine. Und immer wenn ich dann wieder zurück in den Talkessel komme, freue ich mich auf die schöne Landschaft. Insbesondere im Winter mag ich es, wenn es hier in den Bergen Schnee hat und man wieder Skifahren kann. Ja, ich komme jeweils gerne nach Hause. Wie sagt man so schön: einmal Schwyzerin – immer Schwyzerin.

Es gibt im Internet ein Video von Ihnen, in dem sie fliessend Französisch sprechen. Die Sprache scheint Ihnen zu liegen?

Früher war Französisch eigentlich gar nicht mein Fach. Deshalb habe ich in der Westschweiz mit 15 schon ein Austauschjahr absolviert, um die Sprache zu erlernen. Mittlerweile hat sich das natürlich verfestigt, und ich habe grosse Freude an der Sprache. Sogar die Einheimischen merken manchmal gar nicht mehr, dass ich eigentlich Deutschschweizerin bin (lacht).

In diesem Video machen Sie einen Aufruf, Ihre Karriere per Crowd­funding zu unterstützen. Können Sie vom Schwimmsport eigentlich leben?

Als Erstes möchte ich mich bei allen bedanken, die mich unterstützt haben. Das Projekt ist mittlerweile erfolgreich abgeschlossen, und ich konnte 3000 Franken sammeln. Das hilft mir enorm, denn auch im Schwimmen hat man einen Materialverschleiss. Und auch die Trainingslager und die Reisen an die Wettkämpfe sind mit Kosten verbunden. Wir werden zwar vom Club finanziell unterstützt und erhalten an den Wettkämpfen auch Preisgelder. Aber Leben vom Schwimmsport? Das ist in der Schweiz schon sehr schwierig. Ich habe das grosse Glück, dass mich meine Eltern finanziell entlasten.

Man bekommt den Eindruck, dass Sie als Schwimmerin viele Hindernisse überwinden müssen. Aber Sie bleiben hartnäckig dran. Ist das ein Charaktermerkmal von ihnen?

Ich glaube, ich bin wirklich eine Person die niemals aufgibt und dafür kämpft, im Leben das zu erreichen, was ich möchte. Ich bin auch schon früh von zu Hause weggezogen, um meinen Traum zu verfolgen. Aber wie gesagt, ich habe das auch meinen Eltern zu verdanken.

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