Durch und durch eine Kämpferin: Tennisspielerin Svenja Ochsner aus Einsiedeln. Foto: Misa Cinkova 

Obwohl die Corona-Pandemie es ihr nicht gerade leicht macht, will sie es jetzt wissen: Die 21-jährige Svenja Ochsner aus Einsiedeln will auf dem Tennisplatz angreifen, um ihren Traum wahrzumachen. 

WOLFGANG HOLZ 

Frau Ochsner, was machen Sie gerade? Sind Sie schon auf dem Sprung zum nächsten Turnier? 

Ja, ich muss nachher einen Corona-Test machen, damit ich am Wochenende nach Spanien einreisen kann, um mich dort auf die Hartplatz-Saison für Turniere in Ecuador und Indien vorbereiten zu können. Das Problem ist im Augenblick, dass es wegen Corona weltweit derzeit sehr, sehr wenig Damen-Turniere gibt – in Europa fast gar keine. Oder nur solche, die extrem gut besetzt sind. Grundsätzlich melden sich für Turniere, die dann stattfinden, im Augenblick sehr viele Spielerinnen an, die eigentlich viel höher klassifiziert sind. 

Da müssen Sie ja wirklich weit um die ganze Welt reisen, um überhaupt Tennisturniere spielen zu können. Aber diese Situation kann ja auch motivierend sein … 

Für mich ist das selbstverständlich motivierend, mich mit Spielerinnen der Top 350 messen zu können. Ich habe ja schon bewiesen, dass ich solche Gegnerinnen schlagen kann. Ich habe jüngst auch einige gute Resultate gemacht. Fakt ist aber, dass es für mich aufgrund der vielen Turnieranmeldungen manchmal schwer ist, überhaupt in die Qualifikation beziehungsweise ins Hauptfeld zu kommen – wobei ich die Qualifikation dann meistens erfolgreich überstehe. Man muss sehen, dass rund 1500 Damen mit Ranking weltweit professionelles Tennis spielen. Viele kämpfen noch um eines, das heisst, dass noch weitere Frauen natürlich Profitennis spielen wollen, aber nur zirka 1500 können ein Ranking haben Und nur für die Top 100 besteht derzeit ein einigermassen normales Turnierangebot. 

Wie lauten unter diesen schwierigen Bedingungen Ihre Ziele für die neue Saison? 

Ich möchte mich verbessern, damit ich höher dotierte Turniere spielen kann. Generell plane ich, möglichst viele Turniere diesen Sommer zu spielen, um mein Ranking zu verbessen. Dabei strebe ich es an, definitiv unter die Top 500 zu kommen. Das Potenzial dafür habe ich. Aber, wie gesagt, wegen Corona ist es derzeit schwierig, in Sachen Ranking überhaupt Prognosen anzustellen, weil man nur schwer Punkte sammeln kann. Andererseits hat wegen Corona eben jeder zurzeit sein Ranking und verliert bis Mai keine Punkte. 

Was fasziniert Sie eigentlich so am Tennis? 

Das ist eine gute Frage. Ich finde es faszinierend, dass beim Tennis zu jedem Zeitpunkt eines Matches alles offen ist. Man kann bis zuletzt in einem Spiel gewinnen, aber auch verlieren. Diese Ups und Downs und das Spielerische sind herausfordernd. Man muss auch sehr variabel und phantasievoll sein und vieles intuitiv entscheiden. 

Was sind Ihre Stärken, was können Sie noch verbessern? 

Mein Service und meine Vorhand sind definitiv meine Stärken. Ich versuche immer, das Spiel zu beherrschen und Druck auf meine Gegnerin auszuüben. Ich bin eine sehr dominierende Spielerin. Mit meiner beidhändigen Rückhand muss ich wohl noch am Spielaufbau viel arbeiten. Dann kann ich mich auch mental noch verbessern. Es gibt grundsätzlich immer Dinge, an denen man arbeiten kann. 

Würden Sie sagen, es gibt grundsätzlich zwei Typen von Tennisspielern – den Vorhand-Spieler und den Rückhand-Spieler? 

Ich würde eher sagen, es gibt den offensiven Spieler, der druckvoll schlägt und auch ans Netz geht, um seine Punkte mit Winnern zu machen. Und es gibt den defensiven Spieler, der versucht, den Gegner zu Fehlern zu zwingen. Ich bin, wie gesagt, eher die dominierende Spielerin. 

Haben Sie auch irgendwelche Vorbilder unter den Topspielerinnen der Welt? 

Das ist eine gute Frage. Viktoria Azarenka finde ich megacool. Ebenso die Ukrainerin Elina Svitolina. Natürlich beeindruckt mich auch Naomi Osaka durch ihr Tennis – aber auch durch ihre sympathische und menschliche Art, wie sie sich im Match gegen Serina Williams verhalten hat und wie sie in der «Black lives matter»-Kampagne aufgetreten ist. 

Wie viele Stunden pro Tag trainieren Sie eigentlich? 

Ich spiele vier Stunden pro Tag Tennis. Ausserdem mache ich noch zwei Stunden täglich Konditionstraining. Dazu kommt noch Auslaufen, Stretching, Gymnastik und Mentaltraining. Wenn ich abends nach Hause komme, mache ich mir noch Gedanken zu meiner Turnierplanung. Ich bin also deutlich mehr beschäftigt, als wenn ich beispielsweise einer normalen Arbeit nachgehen würde. 

Sie sind wirklich sehr trainingsfleissig und auch eine erfolgreiche Tennisspielerin. Sie sind neuerdings Nummer 17 der Schweizer Rangliste und Nummer 687 der Damen-Weltrangliste – und Sie wollen noch unter die Top Ten. Mal ehrlich, wie realistisch ist dieses ehrgeizige Ziel noch mit 21 Jahren? 

Ich war als Juniorenspielerin leider verletzt und habe dadurch zwei Jahre an Turnierzeit verloren. Ich werde aber weiter kämpfen und alles dafür geben, um dieses Ziel, das ich mir gesteckt habe und an das ich nach wie vor glaube, noch zu erreichen. Das ist kein Traum. Das Potenzial ist, wie gesagt, vorhanden: Ich muss es nur noch besser umsetzen, und um weiter nach vorne zu kommen, brauche ich auch noch mehr Turniere und mehr Stabilität in meinem Spiel. Ich werde alles geben. 

Sie haben in Form einer Aktiengesellschaft ein kluges Finanzierungsmodell kreiert, um Ihre Kosten bis 2023 zu decken. Zusätzlich haben Sie Sponsoren im Boot. Hilft Ihnen das, sich ganz aufs Tennis konzentrieren zu können? 

Ja, ich bin sehr dankbar für meine Sponsoren, selbst wenn in Zeiten von Corona einige abgesprungen sind. Aber ihre finan-zielle Unterstützung hilft mir, den grossen Teil der Kosten zu tragen, die sich hauptsächlich aus Reisekosten und Kosten fürs Training zusammensetzen – die in der Schweiz sehr hoch sind. Ausserdem greifen mir meine Eltern noch finanziell unter die Arme. Mein Tennisequipment bekomme ich von Wilson gratis gestellt. Pro Jahr belaufen sich meine Kosten auf 100’000 bis 120’000 Franken. Preisgeld bei Turnieren habe ich noch nicht viel verdient. Es kommt deshalb auf die Sponsoren drauf an, wie lange ich noch weitermachen kann. 

Ist es nicht frustrierend, täglich mit zig -Ovas und -Ics auf den Courts konfrontiert zu werden, die von ihren Vätern quasi zum Erfolg geprügelt werden, damit ihre Familien aus Osteuropa mal ein besseres Leben führen können? 

Es ist heute nicht mehr so extrem mit prügelnden Vätern solcher Spielerinnen aus Osteuropa. Sicher sind viele Osteuropäerinnen auf der Tour dabei, gegen die ich auch schon angetreten bin, und sie alle haben das gleiche Ziel wie ich: Matches und Turniere gewinnen. Ich spiele jetzt schon drei Jahre lang als Profi und lasse mich davon nicht einschüchtern. Ich will einfach erfolgreich in meinem Job sein. Wir alle kämpfen darum, es weiter nach vorne zu schaffen. Da spielt es keine Rolle, ob jemand aus Tschechien kommt oder wie ich aus der Schweiz. 

Haben Sie auch einen Plan B, sollte es mit der Tenniskarriere nicht mehr klappen? 

Ja, ich habe einen Plan B. Ich würde wahrscheinlich entweder irgendetwas im Bereich KV machen in Kombination mit der Berufsmatura. Ich bin in Fremdsprachen gut und mache gerade mein Cambridge-Zertifikat für Englisch. Ausserdem spreche ich fliessend Italienisch infolge meiner vielen Trainingsaufenthalte im Tessin. Ich bin grundsätzlich sehr zielstrebig, sehr kommunikativ, und die Tenniszeit ist jetzt schon eine grosse Lebensschule für mich gewesen. Und ist es immer noch. 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert