Wendy Holdener hat an den Weltmeisterschaften auf einen Medaillengewinn gehofft. Bild Keystone/Gabriele Facciotti

(sda) Wendy Holdener verpasst das versöhnliche Ende einer an Enttäuschungen reichen Weltmeisterschaft in Cortina. Die Schwyzerin wird in dem von der Österreicherin Katharina Liensberger dominierten Slalom Vierte.

Es hat nicht sollen sein. Wendy Holdener hat die Medaille verpasst, die für so vieles entschädigt hätte, was in der laufenden Saison im Allgemeinen und an dieser Weltmeisterschaft im Besonderen nicht nach Wunsch gelaufen war. Wie sehr die Zwangspause im Herbst nach dem Anfang September erlittenen Fraktur am rechten Wadenbeinkopf die Leistungen beeinflusst hat, ist schwer einzuschätzen. Die Innerschweizerin selber hat die Verletzung nie in den Vordergrund gestellt.

Die andere Gefühlswelt

Hier wie dort hat oft nicht viel gefehlt, aber zu oft etwas zu viel, um bei den Allerbesten dabei zu sein. Und wenn zum fehlenden Glück sich auch noch das Pech dazu gesellt, hat das meist unbefriedigende Ergebnisse zur Folge. Das Ausscheiden im Slalom der Kombination, der 7. Rang in dem bei fragwürdigen Bedingungen ausgetragenen Parallelrennen oder der 4. Platz im Team-Wettkampf sind beste Beispiele dafür.

Im Slalom fehlten Holdener 36 Hundertstel zum 3. Rang, mit dem sich so viel Unerfreuliches aus den Gedanken hätte verdrängen lassen, der dafür gesorgt hätte, dass eine Athletin, die von den letzten drei Grossanlässen hochdekoriert nach Hause gereist war, nicht in eine völlig andere Gefühlswelt hätte eintauchen müssen.

Unterschiedliche Gefühlswelten erlebten auch die restlichen drei Schweizer Slalom-Fahrerinnen. Camille Rast, die hochtalentierte Walliserin, die in den vergangenen Jahren durch das Pfeiffersche Drüsenfieber und einen Kreuzbandriss in ihrer Entwicklung massiv eingebremst worden war, setzte ihren Neuanfang mit dem 8. Platz fort. Michelle Gisin schied im ersten Lauf aus, Mélanie Meillard im zweiten.

Die neueste Enttäuschung ging Holdener nahe. Einblicke in ihr Innenleben gab sie keine preis. Die wässrigen Augen und das Ringen um Worte und Erklärungen waren Zeichen genug, dass der Stachel tief sass. Sie sprach davon, das Spielerische und die Leichtigkeit bei ihren Fahrten nicht gefunden zu haben. Ihr war also Grundlegendes abhanden gekommen – etwas, das in den Wintern zuvor für sie Selbstverständliches war.

Im grossen Stil zu Gold

Über dieses Selbstverständliche verfügt Katharina Liensberger zur Zeit offenbar im Übermass. Die Vorarlbergerin, die schon Gold im Parallelrennen und Bronze im Riesenslalom gewonnen hatte, siegte mit einer Überlegenheit, die an die besten Tage von Petra Vlhova und Mikaela Shiffrin erinnerte. Die neue Weltmeisterin fuhr zweimal Bestzeit und lag in der Schlussabrechnung eine Sekunde vor der Slowakin und fast zwei Sekunden vor der Amerikanerin, die zuletzt viermal in Folge WM-Gold im Slalom gewonnen hatte.

Im Weltcup ist Katharina Liensberger noch sieglos. Die Premiere ist nach drei 2. und zwei 3. Rängen in den bisherigen fünf Slaloms des Winters allerdings eine Frage der Zeit – und nach dem beeindruckenden Auftritt am Samstag wohl näher denn je. Die Prognose ist nicht allzu gewagt: Die passionierte Harfenspielerin wird auch im Weltcup bald die erste Geige spielen.

Als Athletin hat Österreichs aktuelle Nummer 1 auch schon für Misstöne gesorgt. Vergessen ist in diesen Tagen die Zeit, als sie sich in den Mechanismen des Skisports verzettelte. Begonnen hatte das unrühmliche Kapitel nach der vorletzten Saison mit dem Ausrüsterwechsel von Rossignol zu Kästle. Liensberger fand sich mit den neuen Ski auf Anhieb gut zurecht.

Abseits der Piste verlief der Transfer aber alles andere als wunschgemäss. Die Firma Kästle konnte Liensberger lediglich Ski, nicht aber Bindung und schon gar nicht Skischuhe zur Verfügung stellen. Die angedachte Zusammenarbeit mit dem italienischen Hersteller Dalbello scheiterte nach dessen Rückzug vorzeitig, die Hoffnung, deshalb weiterhin mit Schuhen der Marke Lange anzutreten, zerschlug sich. Die Verantwortlichen des Konzerns Rossignol, zu der die Firma Lange gehört, stellten sich quer.

Liensberger beharrte vorerst auf der Partnerschaft mit Kästle, kam aber nach vielen weiteren Irrungen und Wirrungen, dem verpassten Start im Riesenslalom in Sölden und einer für die gesamte Saison möglichen Sperre vor Augen auf ihren Entschluss zurück.

Vier Wochen später stand sie mit Produkten von Rossignol am Start des Slaloms in Levi. Was sie damals in Finnland nicht wissen konnte: Es waren die ersten Schritte des Steigerungslaufs, der 15 Monate später in Cortina in eine Goldspur mündete.


«Die drei vor mir waren eine Bank»: Wendy Holdener will nicht zu enttäuscht sein

(sda) Wendy Holdener wird im WM-Slalom Vierte und verlässt Cortina ohne Medaille. Nach dem Rennen anerkennt sie die Stärke von Kathrin Liensberger, Petra Vlhova und Mikaela Shiffrin, dem Trio vor ihr.

Wendy Holdener, gute Leistung, schlechter Lohn – sehen Sie es auch so?

«Ja. Ich habs probiert, aber es war schwierig. Die Verhältnisse und die Piste waren nicht einfach. Aber man muss auch anerkennen, dass die drei vor mir eine Bank sind darin.»

Wie sieht es im Inneren aus?

«Natürlich habe ich in einigen Momenten sehr emotionell reagiert. Aber eigentlich geht es mir gut. Ich sagte mir am Vortag: Du bist parat, du fährst gut – entweder passt es, oder andere sind eben schneller. Ich probiere, positiv nach vorne zu schauen.»

Sie absolvierten ein Mammutprogramm an dieser WM. Waren Sie noch bereit im Slalom?

«Ja. Ich war am Freitag noch kurz Slalom fahren, fuhr sackstark und fühlte mich nicht sonderlich müde. Ich kann sagen: Ich hätte mich im Slalom genau gleich gefühlt, wenn ich etwas anders gemacht hätte bei der Planung der Rennen.»

Was nehmen Sie mit von dieser WM?

«Ich habe die Rennen vor dem Slalom ausführlich analysiert. Es waren sehr gute Sachen drin, etwa die Auferstehung zum Parallelrennen am Tag nach dem Ausfall in der Kombination. Ich fuhr im Parallelrennen sehr stark, hatte aber kein Glück mit den unfairen Verhältnissen. Auch im Team-Wettkampf und im Riesenslalom war viel Gutes drin. Ich war in den letzten Jahren halt auch sehr verwöhnt.»

Der Siegerin Katharina Liensberger ist es gelungen, auf Topniveau zu kommen. Wie nehmen Sie die Entwicklung der Österreicherin wahr?

«Sie fährt sehr stark in dieser Saison. Im letzten Winter hatte sie noch ein paar Probleme mit dem Material, jetzt offensichtlich nicht mehr. Es hat sich in den letzten Rennen abgezeichnet, dass sie bald auch gewinnen wird respektive kann.»

Ist die Slalom-Spitze so breit wie noch nie in Ihrer Aktivzeit?

«Ich würde schon sagen. Vor ein paar Jahren fuhr Mikaela Shiffrin noch ziemlich alleine voraus. Inzwischen sind mehrere Fahrerinnen auf diesem Niveau. Das ist auch gut für den Sport. Wir pushen uns gegenseitig.»

Ist das etwas, das Sie in den letzten Jahren gelernt haben – das Positive zu sehen und nicht am Negativen herumzustudieren?

«Es war schon immer meine Lebenseinstellung, das Positive zu sehen, auch wenn es Kleinigkeiten sind. Je schneller du ein Rennen abhakst, desto besser geht es dir nachher. Jetzt freue ich mich auf die Umarmungen zu Hause und ein paar Spaziergänge mit den Kolleginnen, danach geht es im Weltcup wieder weiter. Es wäre schade, nicht mit dieser Einstellung durchs Leben zu gehen.»

 

 

 

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