Die 20-jährige Amy Baserga ist eines der grössten Talente im Schweizer Biathlon-Sport. Bild: Franz Feldmann

Die Einsiedler Biathletin Amy Baserga wurde im Sommer vom Schicksal hart getroffen. Ihr Freund verstarb plötzlich.

Franz Feldmann, Höfner Volksblatt

Amy Baserga sitzt im Café. Abgemacht ist ein Interview als Saisonvorschau für den kommenden Winter. Bestellt ist ein Cappuccino. Dieser kommt mit einem Schokoladepulverherz schmuck verziert. Das Mikrofon wird als Vorbereitung an der auffälligen, roten Swiss-Ski Jacke montiert. Das Gespräch wird mit Baserga vorbesprochen, es soll ums Sportliche gehen. Wie üblich. ‹Wie üblich› verläuft das Gespräch nur zu Beginn.

«Nein, kaufen kann ich mir mit meinen vergangenen, sportlichen Erfolgen für die Zukunft nichts», antwortet sie professionell mit fester Stimme auf die entsprechende erste Frage. «Aber die bisherigen Resultate geben mir Kraft, immer wieder zu trainieren mit dem Ziel, weiter Erfolg zu haben », ist sie sich bewusst. Schaut man auf Basergas Resultatblatt, stechen viele Siege der jungen Athletin auf der Loipe und im Schiessstand ins Auge. Aber nur einmal Jugendweltmeisterin oder einmal eine Medaille an einer Junioren- WM wie in diesem Jahr auf der Lenzerheide zu gewinnen, das reicht der ambitionierten 20-jährigen Biathletin aus Einsiedeln nicht. «Klar, mein Ziel ist es, in den Weltcup zu kommen», sagt sie mit klarem Blick über die Cappuccino-Tasse hinaus. Dafür trainiert sie täglich.

Erfolgreichste Juniorin

Gerne blickt sie auf den letzten Winter zurück. «Ich durfte drei Kristallkugeln am Ende der Saison in Empfang nehmen.» Das freut sie und macht sie stolz. Den Gesamtsieg im Biathlon- Junior-Cup sowie zwei von drei Disziplinen als Erste beendet, das ist ein starker Leistungsausweis. Eigentlich müsste man meinen, Amy Basergas ultimatives Ziel wäre es, in der kommenden Saison diese Erfolge zu bestätigen. Eigentlich.

Aber auch andere Erfahrungen haben auf Amy Basergas Leben einen bleibenden Eindruck, in ihr tiefe Spuren hinterlassen. «Plötzlich ist Biathlon, mein ganzer, sportlicher Lebensinhalt, das Allerletzte, woran ich denke», sagt sie nachdenklich. «All das Sportliche rückt in den Hintergrund, der Fokus wird von einem Moment auf den anderen ein ganz anderer.» Amy Baserga wird nachdenklicher. «Momentan ist es mein Ziel, überhaupt die Kraft zu haben, ein Rennen zu laufen.»

Auf einmal war alles anders

Es war der 15. August, als für Amy vieles anders wurde, als die Welt für einen Moment stehen blieb. Ihr Freund, Nachwuchs- Mountainbiker Lucas Schmid, verunfallte mit seinem Motorrad tödlich. Nur gerade zwei Wochen, bevor die beiden 20-Jährigen in Lenzerheide zusammengezogen wären. Keine einfache Situation für Baserga. Diese traurige Nachricht galt es, zu verarbeiten. Sie stürzte sich in der Folge wie wild ins Training. «Das würde ich, im Nachhinein betrachtet, anders machen», schaut sie mit traurigem Blick zurück. Mehr Zeit für sich hätte sie gebraucht, anstelle zu trainieren. Das ist sie sich jetzt bewusst. «Aber ich bin ein Mensch, der in allem das Positive sucht», gibt sie sich kämpferisch. Sie ist sich sicher: «Lucas hätte gewollt, dass ich weitermache.» Die beiden verband ein Leben voller Abenteuer, voller spontaner Erlebnisse. «Wir können für uns behaupten, dass wir unsere Träume immer wieder gelebt und nicht auf später verschoben haben.» Das macht den jetzigen Moment nicht einfacher, die Erinnerungen sind noch zu nah. Deshalb ist auch zu verstehen, dass ihre andere Herzensangelegenheit, der Biathlon, zwischenzeitlich in weite Ferne gerückt ist. «Ich übe den Sport ja nicht aus, um viel Geld zu verdienen oder berühmt zu werden», sinniert Baserga, während der Cappuccino immer noch nicht getrunken, das schaumige Schoggiherz noch unberührt ist. «Ich liebe diesen Sport, ich liebe den Wettkampf.» Einfach nicht gerade jetzt. Den Kopf zu lüften, das hat sie schon immer gebraucht. Das ist nicht immer einfach für ihre Trainer, nicht für ihre Teamkolleginnen und -kollegen. Aber auch genau daraus schöpft sie immer wieder Kraft.

Junioren-WM ist ihr nächstes grosses Ziel

Denn viel wird im Kopf entschieden, wie fast überall im Spitzensport. Und das ist ihre Stärke, aber eben auch, wie in diesem Fall, könnte es zu einem Bumerang werden. Das ist dann, wenn ihr ob der Ereignisse in diesem Sommer die mentale Kraft ausgeht. Körperlich ist sie bereit, hat viel und gut trainiert. So weiss Amy Baserga noch nicht, an welchen Rennen sie starten wird. Das wird sie spontan entscheiden, denn «einfach so mitlaufen» will sie nicht.

Dabei könnte für Baserga die kommende Saison eine werden, die sie sportlich näher an den Weltcup brächte. Doch das alles spielt momentan keine Rolle. «Ich darf altershalber nächstes Jahr noch an den Juniorinnen-Weltmeisterschaften starten», blickt sie voraus. Da wieder mindestens eine Medaille zu holen, tönt auch für Amy Baserga verlockend. «Alles andere kann warten, das läuft mir ja nicht davon.» Das tönt gut und sicher auch ein bisschen kämpferisch. Damit lehnt sich Amy Baserga zurück, streift sich das Mikrofon ab. Endlich gibts einen Schluck Cappuccino. Der ist jetzt kalt. Macht nichts.

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